Teilplan Erneuerbare Energien: „Rechts- und Planungssicherheit – Beitrag für Klimaschutz und Energiewende“ - Rede des Stellvertretenden Fraktionsvorsitzen der SPD-Fraktion in der RVS, Kai Gerfelder, zum Beschluss vom 02. Juli 2021
Sehr geehrter Herr Vorsitzender Kraft,
sehr geehrte Frau Regierungspräsidentin Lindscheid,
sehr geehrte Damen und Herren,
mit dem heute anstehenden Beschluss über die erste Änderung des Teilplans Erneuerbare Energien (TPEE) führen wir ein Verfahren zu Ende, das bereits im Jahr 2006 seinen Ursprung findet und nach zwischenzeitlichem Scheitern erneut Anfang der 2010er Jahre gestartet wurde. Sie alle werden mir zustimmen: Damit wird der umfangreichste, aufwändigste und umstrittenste Planungsprozess dieses Hauses im gesamten letzten Jahrzehnt vollendet.
Zur Erinnerung: Nach den Ereignissen von Fukushima und der Erklärung von Kanzlerin Merkel, in Deutschland eine Energiewende in Verzicht auf Atom- und Kohleenergie herbeizuführen, haben sich die Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Hessischen Landtag im Rahmen des Hessischen Energiegipfels auf einen grundlegenden Umbau der Energieversorgung geeinigt.
Zentrales Ziel dieser Einigung ist die 100prozentige Deckung des Endenergieverbrauchs durch Erneuerbare Energien in Hessen bis zum Jahr 2050 und die Nutzung der Windenergie in einem Gesamtumfang von 28 Terrawattstunden im Jahr.
Für die SPD-Fraktion darf ich an dieser Stelle vorwegschicken, dass wir mit dem nun vorliegenden Ergebnis sehr zufrieden sind:
Wir leisten für den gesamten südhessischen Raum ein wichtigen raumordnerischen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende. Gleichzeitig schaffen wir endgültig Rechtssicherheit für Kommunen, Bürger und Investoren: Entweder eine Fläche steht planungsrechtlich für die Errichtung von Windrädern zur Verfügung oder sie ist künftig grundsätzlich von der Windkraftnutzung ausgenommen und bleibt Freifläche.
Insgesamt weist der Plan Windvorranggebiete in einer Größenordnung von rund 11.000 Hektar aus. Das entspricht 1,5 Prozent der Planungsregion Südhessen. Angesichts der Einschränkungen durch die dicht besiedelte Rhein-Main-Region, niedriger Windhöffigkeit und des größten Verkehrsflughafens Deutschlands, ist das ein sehr gutes Ergebnis.
Schon durch die Vorgaben des Landesentwicklungsplanes (LEP), der für Hessen landesweit eigentlich zwei Prozent Windvorrangflächen fordert, waren die Suchräume durch Abstandsregelungen und weitere Kriterien wie etwa der Festlegung auf eine Windhöffigkeit von 5,75 Meter pro Sekunde erheblich eingeschränkt. Ich erinnere hier an die Anhörung im Hessischen Landtag, in der mein geschätzter Kollege Michael Göllner genau diesen Sachverhalt aufgegriffen und kritisiert hat.
Es hat in den vergangenen Tagen trotzdem Kritik daran gegeben, dass mit der nun vorliegend Vorlage, die auf dem LEP und dem von CDU, SPD und Grünen getragenen schlüssigen Plankonzept basiert, das grundsätzliche Zwei-Prozent-Ziel aus dem Hessischen Energiegipfel verfehlt wird.
Zur Gesamtbewertung zählt an dieser Stelle aber auch, dass angesichts der gemeinsam von CDU, SPD und Grünen entwickelten Kriterien aus dem schlüssigen Plankonzept zum jetzigen Zeitpunkt kein anderes Ergebnis erreicht werden kann. Wiederholt ist in den Beratungen ausgeführt worden, dass für den gesamten Plan, also sowohl die Weißflächen als auch die bereits im Juni 2019 beschlossenen Windvorranggebiete einheitliche Regeln zu Grunde gelegt werden müssen. Dies ist auch vom Hessischen Energieminister Tarek Al-Wazir als auch von Umweltministerin Priska Hinz so bestätigt und war eigentlich auch bereits beim Aufstellungsbeschluss zur 1. Änderung des TPEE im Herbst 2019 klar.
Ich zitiere die neue Verwaltungsvorschrift „Naturschutz/Windenergie“ des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen aus 2020: „Die Regelungen des Leitfadens HMUELV/HMWEVL 2012 zur Festlegung der WEA-VRG in Hessen behalten für die Regionalplanung in Hessen bis zum Abschluss der ergänzenden Verfahren weiterhin ihre Gültigkeit.“
Genauso wird von der Landesregierung gewürdigt, dass angesichts der besonderen Topographie und der dichten Besiedelung im Rhein-Main-Gebiet das juristische Kriterium „substanzieller Raum für die Windkraft“ vollumfänglich erfüllt ist. Außerdem ist das Ziel des Energiegipfels von 28 Terrawattstunden - wie eingangs erwähnt - für das Jahr 2050 postuliert. Ich persönlich bin deshalb der festen Überzeugung, dass es durchaus richtig sein mag über die Zukunft und die Erreichung dieses Zieles zu sprechen - im Umkehrschluss die zurückliegende gemeinsame Arbeit zu zerreden, ist aber ausdrücklich falsch!
Wir denken, gerade deshalb ist es an dieser Stelle auch wichtig, was der statistische Wert von 1,5 Prozent Fläche und die Größenordnung von 11.000 Hektar tatsächlich für den Zubau an Windenergie in unserer Planungskulisse bedeuten:
Derzeit sind im Regierungsbezirk Südhessen 219 Windkraftanlage in Betrieb, weniger als die Hälfe - nämlich 105 Windräder - befinden sich in den jetzt ausgewiesenen Windvorrangflächen.
Nach der Berechnungsgrundlage des Hessischen Wirtschaftsministeriums, die eine Fläche von 10 Hektar pro Windkraftanlage vorsieht, wird angesichts der 11.000 Hektar Windvorranggebiete durch diesen TPEE ein theoretisches Flächenangebot für mehr als 1.000 zusätzliche Windkraftanlagen geschaffen.
Angesichts dieser tatsächlichen Größenordnung kann keinesfalls die Rede davon sein kann, dass die Energiewende derzeit an einem unzureichenden Flächenangebot scheitert.
Wenn der Ausbau der Windkraft nicht voran geht, liegt das zunächst an mangelnder Wirtschaftlichkeit, überbürokratisierten und komplexen Genehmigungsverfahren und einer Abwägungspraxis in den tatsächlichen Genehmigungsverfahren nach Bundesimmissionsschutzgesetz, die andere Faktoren zum Nachteil der Windenergie berücksichtigt.
Anders ist es auch nicht zu erklären, dass etwa im Jahr 2019 in Hessen insgesamt nur 4 Windkraftanlage zugebaut worden sind.
Meine Damen und Herren,
möglichen Investoren macht die Regionalplanung heute endgültig das Angebot, den Ausbau der Windkraft entscheidend voranzutreiben und setzt damit einen wichtigen klimapolitischen Impuls. Nicht mehr aber auch nicht weniger.
Die ausgewiesenen Flächen sind alle bereits voruntersucht. Natur- und artenschutzrechtliche Belange sind vorabgewogen und Gesichtspunkte wie Denkmalschutz und Landschaftsbild berücksichtigt. Es liegt nun in der Hand der Investoren und den Genehmigungsbehörden, den Ausbau der Windenergie voranzutreiben und einen entsprechenden Schub zu geben.
Wir können alle mit Fug und Recht behaupten, dass wir in insgesamt drei Beteiligungsverfahren die Meinungen von Bürgern und Verbänden abgefragt und einem beispielhaften Abwägungsprozess unterzogen haben.
Am Ende mag das Ergebnis nicht jedem willkommen sein. Aber niemand wird leugnen können, dass wir diesbezüglich unserer Aufgabe gerecht geworden sind.
Wir sind auch der Meinung: mit dem jetzt beschlossenen TPEE werden nun die Bedürfnisse von Mensch und Natur mit den derzeitigen raumordnerischen Herausforderungen der Energiewende weitestgehend in Einklang gebracht.
Ich danke zum Schluss im Namen der SPD-Fraktion noch gerne den beiden Verwaltungen bei RP und Regionalverband für die Zuarbeit. Lassen Sie mich neben den Namen Brigitte Lindscheid und Thomas Horn auch noch Frau Buschkühl-Lindermann, Frau Wittersheim sowie Herrn Simmler und Frau Richter nennen, die stellvertretend für alle weiteren Beteiligten stehen.
Mein ausdrücklicher Dank gilt auch Herrn Engemann, der als Ausschussvorsitzender souverän die Beratungen geleitet hat und trotz inhaltlichen Dissens immer ein Beispiel an Neutralität war.